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Sommer im Winter

„Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt“. Von Albert Camus stammt dieser Satz. Er hängt schon eine ganze Weile an der Pinwand in meinem Büro in der TelefonSeelsorge.

An einem kalten, grauen Märztag bleiben meine Gedanken daran hängen. Camus hat am eigenen Leib erfahren, was „Winter“ heißt. Im übertragenen Sinn. Als er noch ganz klein ist, stirbt sein Vater im ersten Weltkrieg. Die Mutter verstummt, er wächst in ärmlichen Verhältnissen in Algier auf. Später erkrankt er zweimal schwer an TB, kämpft gegen die Krankheit und wird geheilt. Er hat viel Elend gesehen und erlebt – auch im Zweiten Weltkrieg und während der Algerienkriege. Und doch lässt er sich nicht unterkriegen. Er engagiert sich im Widerstand. Und er bleibt auch widerständig in seinem Denken. Obwohl er so viel Schweres und Trauriges erlebt hat, ist er nicht bitter. Wird er nicht müde an das Gute im Menschen und das Schöne im Leben zu glauben. Und darüber zu schreiben. Albert Camus besteht darauf: Allen schlimmen Erfahrungen zum Trotz kann der Mensch gut sein, kann er sich entscheiden, ob er menschlich bleibt.

Der Mensch kann immer wieder neu anfangen, er muss nicht aufgeben, selbst wenn es mühsam ist, wie die buchstäbliche Sisyphusarbeit.

„Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“ Der Sommer steht für das, was bunt und schön, warm und lebendig ist.

Und der unbesiegbare Sommer? Ja, da ist etwas in uns Menschen, – auch in mir – von dieser Widerstandsfähigkeit – ein unbändiger Lebenswille. Die Psychologen nennen das Resilienz, eine Fähigkeit die hilft, trotz widriger Umstände zu wachsen.

In diesen Wochen erinnert mich daran oft ohne Worte die Natur. Die ersten Frühlingsblüten, die nach dem langen Winter aufbrechen, ermutigen mich.