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„Frieden, Frieden und noch einmal Frieden“

Dorothea Goudefroy (52) ist seit dem 1. Februar 2021 neue Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Vlotho. Die gebürtige Essenerin war zuvor seit 2010 Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Menden mit den Schwerpunkten Kirchenmusik und Ökumene. Mit Dorothea Goudefroy sprach Jörg Fritz.

Frau Goudefroy, wie empfinden Sie die Weihnachtszeit 2022?

Dorothea Goudefroy: Gemischt. Es ist eine seltsame Zeit. Ich freue mich sehr auf die Weihnachts-Gottesdienste, auf das Singen von O du fröhliche. Auf der anderen Seite klingt Corona noch nach. Die Menschen sind zögerlich, sich zu treffen. Der Krieg in der Ukraine und die Folgen, die wir hierin stark abgemilderter Form spüren, beschäftigen mich wie alle anderen Menschen auch. Weihnachten ist aber ein trotziges Fest. Es ist still und leise. Unscheinbar mit der Geburt in Bethlehem, verändert aber die gesamte Welt. Das wünsche ich mir für dieses Jahr ganz besonders.

Finden Sie derzeit Besinnung, oder sind Sie wie viele Andereeine Gefangene des Lebens und des Schaffens?

Goudefroy: Eine Gefangene bin ich nicht. Im Moment schreibe ich sehr viele Weihnachtskarten. Das bindet natürlich Zeit, auf der anderen Seite ist es aber eine besinnliche Vorbereitung auf das Fest. Ich habe die Menschen vor Augen, denen ich schreibe. Und das ist etwas Schönes.

Was sagen Sie Menschen, die aufgrund diverser Krisen an Gott und der Gerechtigkeit zweifeln?

Goudefroy: Ich kann die Zweifel verstehen und ich glaube, dass Gott sie aushält. Ich hoffe, dass ihn das nicht kalt lässt. Die Geburt Jesu hat ja auch in einer Zeit stattgefunden, in der die römische Besatzung bestimmt nicht nett war zu den Menschen. In eine solche Welt kommt Gott hinein und sagt, ich halte das mit euch aus. Ich bin bei euch. 

Wie werden Sie Weihnachten verbringen? Müssen Sie arbeiten?

Goudefroy: Ja, ich darf zwei Weihnachtsgottesdienste in der St. Stephans-Kirche in Vlotho halten. Darauf freue ich mich sehr. Zwischen der Christvesper um 17 Uhr und der Christmette um 23 Uhr schmücke ich traditionell meinen Weihnachtsbaum. Danach ist an den Feiertagen die Verwandtschaft dran.

Steht der Inhalt der Predigt schon?

Goudefroy: Der Text ist noch nicht geschrieben. Aber es wird um Weihnachten gehen!

Sie sind seit fast zwei Jahren in Ostwestfalen. Wie erleben Sie die Bevölkerung? 

Goudefroy: Wenn ich viel dazu sage, habe ich eigentlich nicht Ostwestfalen beschrieben. Sie reden nicht sehr viel, sind aber ehrlich, bodenständig und sehr treu in ihrem Glauben und ihrer Kirchenverbundenheit.

Sie sind Chefin eines großen Kirchen-Apparates. Nennen Sie doch bitte einige statistische Zahlen zur besseren Einordnung.

Goudefroy: Wir haben 48.000 Gemeindeglieder imEvangelischen Kirchenkreis Vlotho. Ab dem 1. Januar 2023haben wir nur noch elf Gemeinden, weil sich einige Gemeinden zusammenschließen. Gut 30 Pfarrer und Pfarrerinnen sind im Kirchenkreis tätig. Dazu kommen Mitarbeitende in der Verwaltung, dem Jugendreferat und den Kitas. Und natürlich viele ehrenamtlich Engagierte, wie auch die in der Telefonseelsorge.

Man sagt in der Regel, neue Besen kehren gut. Welche Innovationen haben Sie eingeführt?

Goudefroy: Ich beschreibe mich nicht so, dass ich unbedingt sofort alles anders machen muss. Ich habe einen Kirchenkreis vorgefunden, der gut aufgestellt ist. Wir können einen Schritt nach dem anderen in die Zukunft gehen. Der Zusammenschluss von Kirchengemeinden ist ein wichtiger Punkt. Viele Pensionierungen von Pfarrerinnen und Pfarrern stehen an. Die müssen gut vorbereitet sein. Über Gespräche und Wahrnehmungen vor Ort mache ich mir ein Bild. Dann versuche ich zu verstehen, entwickle eine Idee und frage, was die Menschen vor Ort davon halten. Die Leitungsgremien müssen dann entscheiden, was sie gebrauchen können, was für sie passt. Sie können sich darauf verlassen, dass ich hinter ihren Entscheidungen stehe!

Welche Bedeutung hat für Sie die Telefonseelsorge?

Goudefroy: Sie ist sehr wichtig, weil sie ein Angebot ist, für das ich nur eine Telefonnummer wählen muss. Die Anrufer*innen können dort sagen, ich kann nicht mehr. Dasind Menschen, die 24 Stunden am Tag verlässlich ehrenamtlich tätig sind und zuhören und zur Seite stehen. Das ist ein unglaublich wichtiges Angebot. Es steht allen offen und ist konfessionell nicht gebunden. Ich bin gerne Mitglied im Kuratorium der Telefonseelsorge und setze mich mit allen Kräften dafür ein, dass die Arbeit gut weitergeht.

Auf der 13. Synode der EKD in Magdeburg wurde ein freiwilliges Tempolimit beschlossen, um einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Halten Sie sich daran?

Goudefroy: Es ist ein sehr ernst gemeinter Beschluss und eine Frage an mein eigenes Verhalten. Ich finde gut, dass sie gestellt wird. Der Beschluss ist für mich nicht bindend, da ich nicht bei der EKD arbeite. Aber wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, frage ich mich, ob es nicht sinnvoller ist, statt 120 km/h auf der Autobahn nur 100 km/h zu fahren. Man kommt zwar einige Minuten später ans Ziel, hat aber was Gutes für die Umwelt getan.

Wie stehen Sie als Kirchenvertreterin zu den Aktionen der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“?

Goudefroy: Zuerst einmal finde ich es wichtig, dass unterschiedliche Meinungen miteinander ins Gespräch kommen. Bei den Aktionen sind für mich aber deutlicheGrenzen. Sachbeschädigungen fremden Eigentums gehen gar nicht. Ich finde den Einsatz der Menschen dieser Organisation dennoch beeindruckend in der Konsequenz und dem unbedingten Willen, wach zu rütteln. Solche Stimmen brauchen wir. Sie sind unbequem, wie es einst Propheten waren. Als Fragensteller und Hinweiser in dieser prophetischen Dimension finde ich wichtig, was sie tun, ohne aber die Methoden gut zu heißen.

Welche Wünsche haben Sie für 2023?

Goudefroy: Frieden, Frieden und noch einmal Frieden. In der Ukraine und all den Orten in dieser Welt, die wir momentan nicht sehen, weil uns die Ukraine gerade so beschäftigt. Dazu zähle ich auch, dass Menschen auf ihrem eigenen Land leben können, ohne dass Großkonzerne sich den Besitz unter den Nagel reißen. Dass Menschen ohne Angst vor Waffengewalt leben können. Dass Menschen es schaffen, mit ihrem direkten Nachbarn hinter dem Gartenzaun in Frieden zu leben.

Ich bedanke mich für das Gespräch.