Das Ehrenamt bei der TelefonSeelsorge Ostwestfalen
Vierzig Kilometer Fahrt von Schaumburg nach Bad Oeynhausen, um über Stunden am Telefon die Sorgen anderer Menschen zu teilen. Warum nimmt man das für eine ehrenamtliche Aufgabe bei der Telefonseelsorge auf sich? Wir haben nachgefragt.
Franz ist nicht sein echter Name. Wie alle seine Kolleginnen und Kollegen nutzt er ein Pseudonym, um Telefonseelsorge und Privatleben zu trennen. Hochgewachsen, weiße Haare und Bart, eine ruhige, sonore Stimme: Franz ist ein angenehmer Gesprächspartner im Alltag, aber sicher auch für die Menschen, die ihn in seinen Schichten anrufen. Und: Franz ist ein Mann. Einer von nur anderthalb Dutzend unter fast 80 Ehrenamtlichen bei der TelefonSeelsorge Ostwestfalen.
Kein Missverhältnis, betont Martin Dohmstreich, stellvertretender Leiter der Einrichtung. Auch unter den Anrufenden seien nur ungefähr ein Drittel männlich. Doch er wünscht sich mehr männliche Kollegen, denn ihre Perspektive kann ein Gewinn sein, kein Hinderungsgrund. „Eine junge Frau rief an, mit Missbrauchserfahrung“, erinnert sich Franz. „Einen Moment zögerte sie, als sie eine männliche Stimme hörte, doch dann merkte ich, dass es ihr immer leichter fiel, sich zu offenbaren.“ Natürlich könnte er Anrufern anbieten, es später zu versuchen, um vom System vielleicht an eine Telefonseelsorgerin vermittelt zu werden. Diese Möglichkeit bestünde auf jeden Fall, auch wenn einmal kein gutes Gespräch zustande kommt. In der Praxis geschehe das aber eigentlich nie, erzählt der erfahrene Telefonseelsorger.
Das Rüstzeug: Offenheit und Lebenserfahrung
Seine Motivation für die Arbeit gleicht der vieler seiner Kolleginnen und Kollegen: Es war der Wunsch, im nahenden Ruhestand die Erfahrung zu teilen, die er über sein Leben gesammelt hat. Aber es war auch „Dankbarkeit für ein glückliches Leben in einem sicheren Land, bei allen Problemen und natürlich auch den Schicksalsschlägen, die ich wie jeder Mensch hatte.“ Franz erwähnt Arbeitslosigkeit und andere Sorgen. Aber gerade dieser Erfahrungsschatz kann wichtiges Rüstzeug sein, um offen auf die Anrufenden einzugehen. Wenn er sich ans Telefon setzt, weiß er nicht, was ihn erwartet. Von Schülern, die in den Ferien die Langeweile plagt, bis zu Menschen, die lebensverändernde Krisen durchmachen, reicht die Spannbreite. Nachdem Pandemie, Krieg und Inflation lange bestimmend waren, kehren wieder die Klassiker zurück: Einsamkeit, Beziehungsprobleme und psychische Erkrankungen.
Vielen der Anrufenden kann Franz helfen, nur durch das Zuhören. Manche brauchen die Gespräche, um ihren Tag zu strukturieren. Franz kann auch auf andere Beratungsmöglichkeiten verweisen, aber Telefonseelsorger sind keine Therapeuten, noch vermitteln sie Therapieplätze. Doch das ist oft auch nicht nötig: „Viele Anrufer wissen eigentlich genau, was sie brauchen. Aber es ist diese Chance, es auszusprechen, die ihnen den Anstoß gibt, sich zum Beispiel in stationäre Therapie zu begeben.“
Und was ist mit den Fällen, denen er nicht helfen kann? Wie geht man damit um, immer wieder Sorgen und Leid zu begegnen? Es sei keine Last, betont Franz. „Die Regelerfahrung ist, dass jedes Gespräch einen Effekt hat, und wenn er noch so klein ist.“
Neue Ausbildungsrunde beginnt
Im Januar 2024 beginnt die neue Ausbildung für angehende Telefonseelsorger und -seelsorgerinnen. Auf sie warten 15 Monate intensiver Vorbereitung, einschließlich Praxisphasen mit erfahrenen Mentoren. In 2,5 Stunden pro Woche lernen sie die Abläufe kennen und lernen, mit den auf sie wartenden Erlebnissen umzugehen. Die Telefonseelsorge wünscht sich von neuen Ehrenamtlichen mindestens zwei Jahre Mitarbeit bei 12 Stunden im Monat, die mit viel Vorlauf geplant werden können. Es ist ein Geben und Nehmen, erklärt Pfarrerin Petra Ottensmeyer, Leiterin der TelefonSeelsorge Ostwestfalen. Wenn die Passung stimmt, dann freuen sie und ihr Team sich auf neue Mitstreiter, deren Dienstpseudonyme bald, wie die Tradition es verlangt, auf eigenen Tassen in der gemütlichen Küche der Einrichtung prangen.
Franz arbeitet seit acht Jahren bei der Telefonseelsorge und will dabeibleiben „solange ich noch die weite Fahrt hinkriege“, wie er offen zugibt. Eine nicht zu unterschätzende Selbstverpflichtung, doch wenn Franz nach einer Schicht am Telefon das Haus verlässt und sich heimwärts nach Schaumburg aufmacht, ist er glücklich mit seinem Entscheid für die Telefonseelsorge: „Ich bin noch nie unzufrieden zurückgefahren.“
Mehr Informationen und Bewerbungsmöglichkeiten finden sich auf der Website der TelefonSeelsorge Ostwestfalen: https://www.telefonseelsorge-ostwestfalen.de/
Der Artikel wurde uns zur Verfügung gestellt:
Kreiskirchenamt Bad Oeynhausen
Öffentlichkeitsarbeit
Kevin Potter
Tel: 05731/1805-40
oeffentlichkeitsarbeit@kirchenkreis-vlotho.de
Kürzlich trafen sich einige Ehrenamtliche und die Hauptamtlichen zu einer besonderen „Schicht“ in der TelefonSeelsorge. Diesmal ging es nicht ums Zuhören sondern ums Zupacken.
Mit Scheren, Fugenbürsten, Besen und Häcker hatten sie sich zum Garteneinsatz verabredet. Garten und Terrasse wurden im gemeinsamen Einsatz von Unkraut und Moos befreit, wild wuchernde Brombeerranken zurückgeschnitten „Jetzt lässt sich die Terrasse wieder gut nutzen“, freut sich Martin Dohmstreich, stellvertretender Leiter der Einrichtung.
Die Dienstzimmer und Büroräume der TelefonSeelsorge sind in einem alten Pfarrhaus mit Garten untergebracht. An warmen Sommertagen wird der schattige Garten gern für eine Pause und besonders auch für die Supervisionsgruppen genutzt.
Nicht nur für die Gartenarbeit werden Ehrenamtliche gebraucht. Wie in jedem Herbst möchte die TelefonSeelsorge einen neuen Ausbildungskurs für den Dienst am Telefon starten. Interessierte Ehrenamtliche können sich ab sofort melden.
Freude über neue Sekretärin
Mit einem fröhlichen Frühstück ist kürzlich die langjährige Sekretärin Conny Nolte verabschiedet worden. Zahlreiche Ehrenamtliche haben sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, sich persönlich bei der „guten Seele“ der TelefonSeelsorge zu bedanken. Auch ehemalige KollegInnen kamen und erinnerten mit einem humorigen Beitrag an die gemeinsame Zeit. Fast 9 Jahre hat Conny Nolte hinter den Kulissen der TS gewirkt. Am PC am Schreibtisch in ihrem kleinen Büro, aber auch in der Küche, beim Mitarbeitendentag und im Dienstzimmer im Gespräch mit den Ehrenamtlichen. An vielen Stellen hat sie die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen unterstützt. Mit einem herzlichen Dank wurde sie in den Ruhestand verabschiedet – wobei Ruhestand ein Wort ist, das nur wenig zu der Verabschiedeten zu passen scheint – ist sie doch immer in Bewegung.
Nach kurzer Vakanz konnte das Sekretariat neu besetzt werden. Seit vier Wochen arbeitet sich Ulrike Herbst in ihre neue Aufgabe ein. Abrechnungen, allgemeine Büroarbeiten, Telefonate bereiten ihr keinerlei Schwierigkeiten. All das kennt Ulrike Herbst aus ihrem vorigen Arbeitsbereich. Und die tausend Kleinigkeiten, die in einer Einrichtung wie der TelefonSeelsorge dazugehören, können nach und nach dazu kommen. „Wir freuen uns sehr, dass wir so schnell eine neue engagierte Mitarbeiterin gefunden haben“, freuen sich die beiden Hauptamtlichen, Martin Dohmstreich und Petra Ottensmeyer.
Judith Kuckart
wurde 1959 geboren und ist am Rande des Ruhrgebiets aufgewachsen.
Sie studierte Literatur- und Theaterwissenschaften in Berlin und absolvierte
nach dem Magisterinnen-Examen eine Tanzausbildung an
der Folkwang-Schule in Essen. Nach vielen Projekten als Tänzerin und
Choreographin arbeitet sie heute vornehmlich als Schriftstellerin und
Regisseurin. Über 50 Bücher, Theaterstücke und Hörspiele hat sie
inzwischen geschrieben und wurde dafür vielfach ausgezeichnet.
‚DER SPIEGEL‘ charakterisierte ihr Werk einmal so: „Judith Kuckart ist
eine Meisterin darin, Wahrheiten unter die Oberfläche zu weben und
mit großer Wärme von schwachen Momenten und von schwachen
Menschen zu erzählen.“
Café der Unsichtbaren
Wahrlich meisterhaft erzählt Judith Kuckart in diesem Werk aus dem
Jahr 2022 von sieben sehr unterschiedlichen Mitarbeitenden beim
Berliner „Sorgentelefon e. V.“ (zu denen sie selbst übrigens auch über
Jahre gehörte). Sie haben auf den ersten Blick alle genug mit sich
selbst zu tun und sind weit davon entfernt, Anderen von oben herab
kluge Ratschläge zu geben – und doch oder gerade deshalb können
sie Mitmenschen in Notsituationen ein ganz wichtiges Gegenüber sein,
wenn diese ihre Sorgen mit ihnen teilen. So erleben sie immer wieder,
dass Zuhören den Anrufenden etwa in einer schlaflosen Nacht das
Gefühl von Ausweglosigkeit nehmen kann, und im Zuhören auch
eigene Lebenserfahrungen einen unerwarteten Sinn bekommen …
Davon können auch die mehr als 80 ehrenamtlichen Mitarbeitenden
der ‚TelefonSeelsorge Ostwestfalen‘ eine Menge erzählen, aber wir
freuen uns sehr, jetzt einmal Judith Kuckart zuhören zu dürfen, und
laden sehr herzlich zu diesen beiden Veranstaltungen mit ihr ein!
Zur Kostendeckung erbitten wir an beiden Abenden am Einlass einen
Beitrag von 8,00 € pro Person – von Schüler*innen, Auszubildenden,
Studierenden, Menschen mit schweren Behinderungen und Erwerbslosen
einen Betrag von 5,00 €.
Hartmut Birkelbach benötigte ein Sabbatjahr, ehe er 15 Monate nach seiner Pensionierung das Amt des Vorsitzenden des Förderkreises der TelefonSeelsorge OW in Bad Oeynhausen annahm. „Ich brauchte diese Zäsur, um die Ideen für die Gestaltung meines neuen Lebensabschnitts zu sammeln und zu ordnen“, sagt Birkelbach. Der 67-Jährige war zuvor 16 Jahre als Kulturpfarrer im Evangelischen Kirchenkreis Vlotho tätig. Eine 16-jährige Tätigkeit als Gemeindepfarrer in Minden sowie ein Engagement als Notfallseelsorger runden sein berufliches Leben ab.
Überregionale Anerkennung gewann Birkelbach mit seinem Projekt Kirche und Kultur (KuK). Ziemlich genau 500 Veranstaltungen (Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, Theaterabende und viele andere Formate) hat er als Förderer für das Miteinander zwischen Kirche und Kultur auf die Beine gestellt.
Am 2. März 2023 wurde Birkelbach von der Mitgliederversammlung zum Nachfolger der Interimsvorsitzenden Sylvia Kahl für zwei Jahre zum Vorsitzenden des Fördervereins der TelefonSeelsorge Ostwestfalen e. V. gewählt. Birkelbach sieht sich in seinem neuen Betätigungsfeld nicht als der große Matador, der die TS aufmischt. „Die Ehrenamtlichen sind für mich vielmehr die eigentlichen Macher“, sagt Birkelbach. Er wolle als Markenbotschafter ein wenig mithelfen, aktiv die Ziele der TelefonSeelsorge Ostwestfalen umzusetzen und die Arbeit der TS noch stärker in Richtung Öffentlichkeit zu kommunizieren. „Ich möchte das Anliegen der TS bewusster machen“, sagt Birkelbach. „Jeder kann anonym anrufen – ohne Hürden überspringen zu müssen. Auch Chattermine können wahrgenommen werden“, beschreibt er die Idee und Vorzüge der TS.
30 Mitglieder gehören aktuell dem Förderkreis der TelefonSeelsorge Ostwestfalen an, die durch Spenden beispielsweise Fortbildungsmaßnahmen für die 80 ehrenamtlich Tätigen in Bad Oeynhausen ermöglichen. Birkelbach: „Es wäre schön, wenn wir noch mehr Fördermitglieder gewinnen würden.“
Text und Foto: „Huck“
Nun rücken die Feiertage näher. Weihnachten gilt als Fest der Familie. Aber nicht jeder hat Familie oder kann sie über die Feiertage besuchen. Manche sind allein. Viele Menschen leben unter uns und neben uns ein eingeschränktes Leben. Es gibt für sie niemanden, mit dem sie sich austauschen, mit dem sie reden können.
Einsame Menschen, die sich an die Telefonseelsorge wenden, äußern sich in diesen Tagen z. B. so:
„Wissen Sie, Sie sind heute der erste Mensch, mit dem ich spreche.“
„Manchmal bin ich so einsam, dass es schon weh tut.“
„Ich möchte nur ein bisschen reden/schreiben, damit ich das Gefühl habe, nicht allein auf der Welt zu sein.“
„Zu Weihnachten ist es für mich besonders schlimm, weil ich dann so richtig spüre, wie allein ich bin.“
„Wenn die Feiertage nur endlich vorbei wären, dann geht’s mir wieder besser.“
Die Weihnachtsfeiertage können für manche Ratsuchende eine zusätzliche Belastung sein, weil sie ihre Einsamkeit an diesen Tagen besonders schmerzlich spüren. Da ist es verständlich, dass sogar das Ende der Festtage herbeigesehnt wird, damit der gewohnte Alltag mit seinen Aktivitäten wieder einziehen kann.
Manchmal hilft es, zu überlegen, wie die Feiertage gestaltet werden können: Vielleicht mal einen Bekannten einladen, der auch allein ist. Etwas Leckeres kochen. Oder schöne Musik hören. Oder sogar selbst singen in der Christvesper. Bei manchen verwandelt sich dann etwas. Ideen kommen. Zweifel, Ängste und Sehnsucht, all das wird nicht einfach weggewischt. Aber etwas anderes kann dazu kommen, ein kleiner Hoffnungsfunke. Eine Ahnung, dass die Feiertage auch gut werden können.
Ein Gespräch oder auch ein Chat kann dazu beitragen, dass Menschen sich weniger einsam fühlen. Daher steht die TelefonSeelsorge Ostwestfalen auch rund um die Feiertage verlässlich zur Verfügung.
Dorothea Goudefroy (52) ist seit dem 1. Februar 2021 neue Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Vlotho. Die gebürtige Essenerin war zuvor seit 2010 Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Menden mit den Schwerpunkten Kirchenmusik und Ökumene. Mit Dorothea Goudefroy sprach Jörg Fritz.
Frau Goudefroy, wie empfinden Sie die Weihnachtszeit 2022?
Dorothea Goudefroy: Gemischt. Es ist eine seltsame Zeit. Ich freue mich sehr auf die Weihnachts-Gottesdienste, auf das Singen von O du fröhliche. Auf der anderen Seite klingt Corona noch nach. Die Menschen sind zögerlich, sich zu treffen. Der Krieg in der Ukraine und die Folgen, die wir hierin stark abgemilderter Form spüren, beschäftigen mich wie alle anderen Menschen auch. Weihnachten ist aber ein trotziges Fest. Es ist still und leise. Unscheinbar mit der Geburt in Bethlehem, verändert aber die gesamte Welt. Das wünsche ich mir für dieses Jahr ganz besonders.
Finden Sie derzeit Besinnung, oder sind Sie wie viele Andereeine Gefangene des Lebens und des Schaffens?
Goudefroy: Eine Gefangene bin ich nicht. Im Moment schreibe ich sehr viele Weihnachtskarten. Das bindet natürlich Zeit, auf der anderen Seite ist es aber eine besinnliche Vorbereitung auf das Fest. Ich habe die Menschen vor Augen, denen ich schreibe. Und das ist etwas Schönes.
Was sagen Sie Menschen, die aufgrund diverser Krisen an Gott und der Gerechtigkeit zweifeln?
Goudefroy: Ich kann die Zweifel verstehen und ich glaube, dass Gott sie aushält. Ich hoffe, dass ihn das nicht kalt lässt. Die Geburt Jesu hat ja auch in einer Zeit stattgefunden, in der die römische Besatzung bestimmt nicht nett war zu den Menschen. In eine solche Welt kommt Gott hinein und sagt, ich halte das mit euch aus. Ich bin bei euch.
Wie werden Sie Weihnachten verbringen? Müssen Sie arbeiten?
Goudefroy: Ja, ich darf zwei Weihnachtsgottesdienste in der St. Stephans-Kirche in Vlotho halten. Darauf freue ich mich sehr. Zwischen der Christvesper um 17 Uhr und der Christmette um 23 Uhr schmücke ich traditionell meinen Weihnachtsbaum. Danach ist an den Feiertagen die Verwandtschaft dran.
Steht der Inhalt der Predigt schon?
Goudefroy: Der Text ist noch nicht geschrieben. Aber es wird um Weihnachten gehen!
Sie sind seit fast zwei Jahren in Ostwestfalen. Wie erleben Sie die Bevölkerung?
Goudefroy: Wenn ich viel dazu sage, habe ich eigentlich nicht Ostwestfalen beschrieben. Sie reden nicht sehr viel, sind aber ehrlich, bodenständig und sehr treu in ihrem Glauben und ihrer Kirchenverbundenheit.
Sie sind Chefin eines großen Kirchen-Apparates. Nennen Sie doch bitte einige statistische Zahlen zur besseren Einordnung.
Goudefroy: Wir haben 48.000 Gemeindeglieder imEvangelischen Kirchenkreis Vlotho. Ab dem 1. Januar 2023haben wir nur noch elf Gemeinden, weil sich einige Gemeinden zusammenschließen. Gut 30 Pfarrer und Pfarrerinnen sind im Kirchenkreis tätig. Dazu kommen Mitarbeitende in der Verwaltung, dem Jugendreferat und den Kitas. Und natürlich viele ehrenamtlich Engagierte, wie auch die in der Telefonseelsorge.
Man sagt in der Regel, neue Besen kehren gut. Welche Innovationen haben Sie eingeführt?
Goudefroy: Ich beschreibe mich nicht so, dass ich unbedingt sofort alles anders machen muss. Ich habe einen Kirchenkreis vorgefunden, der gut aufgestellt ist. Wir können einen Schritt nach dem anderen in die Zukunft gehen. Der Zusammenschluss von Kirchengemeinden ist ein wichtiger Punkt. Viele Pensionierungen von Pfarrerinnen und Pfarrern stehen an. Die müssen gut vorbereitet sein. Über Gespräche und Wahrnehmungen vor Ort mache ich mir ein Bild. Dann versuche ich zu verstehen, entwickle eine Idee und frage, was die Menschen vor Ort davon halten. Die Leitungsgremien müssen dann entscheiden, was sie gebrauchen können, was für sie passt. Sie können sich darauf verlassen, dass ich hinter ihren Entscheidungen stehe!
Welche Bedeutung hat für Sie die Telefonseelsorge?
Goudefroy: Sie ist sehr wichtig, weil sie ein Angebot ist, für das ich nur eine Telefonnummer wählen muss. Die Anrufer*innen können dort sagen, ich kann nicht mehr. Dasind Menschen, die 24 Stunden am Tag verlässlich ehrenamtlich tätig sind und zuhören und zur Seite stehen. Das ist ein unglaublich wichtiges Angebot. Es steht allen offen und ist konfessionell nicht gebunden. Ich bin gerne Mitglied im Kuratorium der Telefonseelsorge und setze mich mit allen Kräften dafür ein, dass die Arbeit gut weitergeht.
Auf der 13. Synode der EKD in Magdeburg wurde ein freiwilliges Tempolimit beschlossen, um einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Halten Sie sich daran?
Goudefroy: Es ist ein sehr ernst gemeinter Beschluss und eine Frage an mein eigenes Verhalten. Ich finde gut, dass sie gestellt wird. Der Beschluss ist für mich nicht bindend, da ich nicht bei der EKD arbeite. Aber wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, frage ich mich, ob es nicht sinnvoller ist, statt 120 km/h auf der Autobahn nur 100 km/h zu fahren. Man kommt zwar einige Minuten später ans Ziel, hat aber was Gutes für die Umwelt getan.
Wie stehen Sie als Kirchenvertreterin zu den Aktionen der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“?
Goudefroy: Zuerst einmal finde ich es wichtig, dass unterschiedliche Meinungen miteinander ins Gespräch kommen. Bei den Aktionen sind für mich aber deutlicheGrenzen. Sachbeschädigungen fremden Eigentums gehen gar nicht. Ich finde den Einsatz der Menschen dieser Organisation dennoch beeindruckend in der Konsequenz und dem unbedingten Willen, wach zu rütteln. Solche Stimmen brauchen wir. Sie sind unbequem, wie es einst Propheten waren. Als Fragensteller und Hinweiser in dieser prophetischen Dimension finde ich wichtig, was sie tun, ohne aber die Methoden gut zu heißen.
Welche Wünsche haben Sie für 2023?
Goudefroy: Frieden, Frieden und noch einmal Frieden. In der Ukraine und all den Orten in dieser Welt, die wir momentan nicht sehen, weil uns die Ukraine gerade so beschäftigt. Dazu zähle ich auch, dass Menschen auf ihrem eigenen Land leben können, ohne dass Großkonzerne sich den Besitz unter den Nagel reißen. Dass Menschen ohne Angst vor Waffengewalt leben können. Dass Menschen es schaffen, mit ihrem direkten Nachbarn hinter dem Gartenzaun in Frieden zu leben.
Ich bedanke mich für das Gespräch.
SUIZIDPRÄVENTION
– eine Kernkompetenz der TelefonSeelsorge
„Reif für die Insel“
Manchmal kann der Alltag ganz schön herausfordernd sein: Der Beruf fordert, die Familie will versorgt sein und dass bisschen Haushalt macht sich meist auch nicht von allein. Oft bleibt für Freizeit und Erholung wenig Zeit. „Ich bin reif für die Insel“, höre ich dann manchmal. „Ich brauche dringend eine Pause.“ Aber kann ein zweiwöchiger Urlaub die Erschöpfung auffangen? Kurzfristig vielleicht – wenn ich im Urlaub wirklich abschalten kann.
Notwendig ist es auch zu überlegen, was im Alltag veränderbar ist. Dafür lässt sich der Urlaub vielleicht gut nutzen.
„Ich bin reif für die Insel“, kann ja auch heißen, vieles ist irgendwie uferlos geworden. Zu hohe Anforderungen, nie das Gefühl fertig zu sein. Es ist irgendwie alles zu viel. Auf einer kleinen Insel zu sein, bedeutet, ich habe einen gewissen Überblick und meine Möglichkeiten dort halten sich in Grenzen. Ich vermute, viele Menschen sehnen sich insgeheim nach einem überschaubareren Leben. Aber unsere Zeit bringt schnellen, fortwährenden Wandel mit. Zwischen zahlreichen Möglichkeiten müssen wir jonglieren.
„Inseln im Alltag“ zu schaffen, kann helfen. Zeiten, in denen wir mal nur bei uns selbst sein können, tun, was uns Freude macht.
Das kann ein Kurzurlaub sein oder auch ein freier Tag. Da kann ich überlegen, was ist mir zu viel, was kann ich lassen, wo muss ich nicht unbedingt mithalten. Und auch, wo muss ich mir helfen lassen.
Manche Menschen versäumen, sich solche Inseln zu schaffen. Die Fehltage aufgrund psychischer Leiden wie Erschöpfung, Überforderung und Anpassungsstörungen nehmen zu, so ist es immer wieder mal zu lesen. Deshalb muss ich mich selbst schützen. Besonders wenn ich merke, dass ich icht mehr richtig abschalten kann.
Zu allen Zeiten haben Menschen Ruheinseln gebraucht. So berichtet schon der Evangelist Markus, dass Jesus nach einem anstrengenden Tag zu seinen Jüngern gesagt hat: „Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie hatten nicht Zeit genug zum Essen. Und sie fuhren in einem Boot an eine einsame Stätte für sich allein.“
„Momente, die dem Himmel gehören“
Lesung und Musik mit Tina Willms und Jan-Lukas Willms
Auf Einladung der TelefonSeelsorge Ostwestfalen war die Hamelner Theologin und Autorin am 24. April in der Auferstehungskirche in Bad Oeynhausen zu Gast.
Endlich konnte Pfarrerin Petra Ottensmeyer zahlreiche ZuhörerInnen zu der schon vor zwei Jahren geplanten Lesung begrüßen. Mit ihrer poetischen, oft eindringlichen Sprache begibt sich die Autorin immer wieder auf „religiöse Erkundungen der Wirklichkeit“. So regte sie die Anwesenden mit ihren Geschichten und Gedichten an, besonderen Momenten im Alltag nachzuspüren.
Einfühlsam erzählt sie z. B. von der besonderen Zuwendung eines alten, dementen Mannes zu seinem Sohn, in dem er ganz konzentriert seine Hände wärmt. Ein Moment, der diesen lange begleitet. Die Autorin hat eine achtsame Wahrnehmung solcher, besonderen Momente, die dem Himmel gehören. Dabei wird auch das Dunkle, Schwere nicht verschwiegen.
Jan-Lukas Willms nimmt die Texte in seiner Musik am Klavier und auf der Klarinette auf, mal erklingen leichtfüßige, fröhliche Melodien, mal nachdenkliche, so dass die gehörten Texte nachklingen können.
Mit einem Segenswort schließt die gelungene Konzert-Lesung.